#2 Abtreibungen International

Abtreibung ist ein Menschenrecht und ein elementarer Bestandteil für die Gleichberechtigung von Frauen*. Besonders wenn man bedenkt, dass 35% aller Frauen* Opfer von physischer oder sexueller Gewalt werden, sollte der Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch selbstverständlich sein. Dennoch haben 40% aller Frauen* im gebärfähigen Alter keinen Zugang zu sicherer Abtreibung, da sie in Ländern mit restriktiven Abtreibungsgesetzen oder in Ländern, in denen Abtreibungen zwar legal, aber praktisch mit hohen Barrieren versehen ist, leben. Daher setzen sich viele NGOs für legalen und niederschwelligen Zugang zu Abtreibungen ein, wie z.B. Amnesty International oder Women on Waves. Auch die WHO unterstützt das Recht auf Abtreibung in ihrem Programm R.E.S.P.E.C.T., welches die Prävention von Gewalt gegen Frauen* zum Ziel hat. Doch für eine flächendeckende Versorgung und die konsequente praktische Umsetzung sind entsprechende Rechtsprechungen international unerlässlich. Der folgende Text soll einen Überblick über ausgewählte internationale Beispiele geben, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu haben. Dafür sind die juristischen, politischen, kulturellen und religiösen Situationen zu verschieden.

Das Centre for Reproductive Rights hat die Rechtsprechung von Ländern weltweit in 5 Kategorien eingeteilt. Die Karte orientiert sich hauptsächlich an der Gesundheit der gebärenden Person und stellt nur die Rechtsprechung dar. Weiteren Schwierigkeiten wie Kosten, lange Wartezeiten, Anreise, Verweigerung durch ärztliches Personal oder Belästigung durch Fundamentalist*innen kann sie nicht gerecht werden. 
In den USA führte beispielsweise Trumps Legislaturperiode zu einem Rückschlag für die 1973 legalisierte Abtreibung. In Alabama wurden kurzfristig stark restriktive Gesetze (von ausschließlich männlichen gelesenen Staatsmännern) verabschiedet. Schwangere, die Hilfe aufsuchen, werden vor den Gesundheitszentren bedroht und beleidigt. Außerdem erfährt der 1997 gegründete konservativ christliche World Congress of Families inzwischen internationale Popularität. 
Auch Italien, wo Abtreibungen bis zum 3. Monat seit 1978 erlaubt sind, erfährt zur Zeit ein Versorgungsproblem, weil 70% aller Ärzt*innen den Eingriff verweigern (vermutlich durch den wachsenden Einfluss der Kirche).
In Polen veranlasste die PIS-Partei unter Jaroslaw Kaczynski eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. Abtreibungen sind in keinem Fall mehr erlaubt – weder bei schwerer Behinderung des Fötus noch bei Vergewaltigung. Damit hat Polen eine der strengsten Verfassungen weltweit, obwohl nur ca. 30% der Bevölkerung dieser Gesetzesänderung zugestimmt hätten und seit Monaten Menschen protestierend auf die Straße gehen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die rechtliche Klarheit, damit medizinisches Personal bereit ist, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. In einigen Ländern führten Verurteilungen und Verunsicherung bzgl. der Rechtsprechung in den vergangenen Jahren dazu, dass die Gesundheitsversorgung der Nachfrage nicht mehr gerecht werden konnte. Uns allen ist als Beispiel Deutschland bekannt, doch auch in Österreich ist die Rechtsprechung ähnlich. Der Schwangerschaftsabbruch ist bis zur 12. SSW mit ärztlicher Beratung meist straffrei, jedoch grundsätzlich strafbar und kann einen Freiheitsentzug von bis zu 3 Jahren nach sich ziehen – sowohl für Ärzt*innen als auch für Schwangere, die den Abbruch selbst induzieren. In der Schweiz kann ein Abbruch seit 2002 ohne medizinische Indikation bis zur 12. Woche durchgeführt werden.

Durchschnittlich wird jede 4. Schwangerschaft terminiert. Dabei haben Studien gezeigt, dass die Gesetzgebung keine Rolle spielt. Die Inzidenz in Ländern mit restriktiver Gesetzgebung bzw. komplettem Abtreibungsverbot liegt bei 37/1000 Schwangerschaften, während sie in Ländern mit liberaler Gesetzgebung bei 34/1000 liegt. Der Unterschied liegt in der Sicherheit der Betroffenen. Die legale Abtreibung hat eine Mortalitätsrate von ca. 0,00073% (Vergleich Koloskopie: 0,007%), während an selbstinduzierten Abtreibungen zahlreiche Frauen* versterben – aufgrund der Methode oder weil sie sich danach nicht trauen, medizinische Hilfe aufzusuchen, da dies juristische Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Somit ist der Schutz der Frauen*, welchen Abtreibungsgegner*innen oft als Argument anführen, nicht gegeben. Stattdessen findet eine Kriminalisierung und damit Diskriminierung statt. Wichtig ist, dass nicht nur cis Frauen von dieser Diskriminierung betroffen sind, sondern ebenso transgender, inter und non-binären Personen, denen der Zugang zu Verhütungs- und Abtreibungsmöglichkeiten verwehrt wird.
Geschätzt finden 25 Millionen unsichere Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr statt. Besonders stark betroffen davon sind Länder in Südamerika und Afrika, wobei Argentinien (2021) und Kenya (2019) Abtreibungen legalisierten. Ob Nachbarsländer dem Beispiel folgen, wird sich zeigen.

Das Thema Abtreibung hat viele Facetten. So sind auch ethische Diskussionen über den Zusammenhang mit Infantiziden aufgrund des Geschlechts (zum Beispiel in Indien) durchaus berechtigt. In diesem Fall ist jedoch ein Abtreibungsverbot ebenso wenig die Lösung. Die Zwangsabtreibung aufgrund der Ein-Kind-Politik, welche vor Jahren aus China durch die Medien ging, ist erschütternd. Auch sie entspricht nicht unserer Forderung nach Selbstbestimmtheit. Zum Thema Abtreibung und Wohl von Kind und Gebärende kursieren gar zu viele falsche Annahmen und Behauptungen. Wir, als kritische Mediziner*innen, wünschen uns eine professionellere politische Herangehensweise und einen Umgang, der Betroffene nicht traumatisiert.
Daher fordern wir: Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen! Universellen, weltweiten Zugang zu Abtreibungen sowie deren medizinischer Nachsorge! Freien Zugang zu evidenz-basierten Informationen über Abtreibung – ohne Zwang, Gewalt und Diskriminierung!

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