DRG’s – Menschsein pauschalisiert

Bis 2002 wurden Krankenhausaufenthalte vor allem über tagesgleiche Pflegesätze berechnet. Es wurde also pro Tag, pro Patient*in ein Betrag abgerechnet, unabhängig von Liegedauer oder Fallschwere.  Dann wurde das System der Fallpauschalen, den „Diagnosis related groups“ eingeführt. Jede DRG soll den durchschnittlichen Aufwand je nach Fallschwere abbilden und wird entsprechend von den Krankenkassen erstattet. Die DRG’s bilden so also im Wesentlichen das Krankenhausbudget für laufende Kosten.

Doch was hat man damit erreicht? Hatte Deutschland im Jahr 1991 noch eine vergleichsweise lange Liegezeit eine*r Patient*in im Krankenhaus von ca. 14 Tagen so liegt die heute bei ca. 7,7 Tagen: eine Reduzierung um die Hälfte! Zwar mögen dabei auch verbesserte Abläufe und technologischer Fortschritt eine Rolle spielen, dennoch sind die negativen Folgen nicht zu verkennen: eine massive Intensivierung und Rationalisierung der Arbeit im Krankenhaus und der Anreiz Patient*innen möglichst früh zu entlassen.
Denn nur für die Diagnosestellung und die diagnosebezogene Behandlung wird bezahlt, jede weitere Zuwendung zum Patienten oder verlängerte Liegezeit riskiert die Wirtschaftlichkeit der gesamten Behandlung. Auch der deutsche Ethikrat warnt „dass der Patient unter Bedingungen des derzeitigen DRG-Systems weniger in seiner individuellen Bedürftigkeit als vielmehr ein pauschalierter Behandlungsfall wahrgenommen wird.“ *1

Jetzt ist es ja nicht falsch Prozesse im Krankenhaus zu optimieren und Patient*innnen nicht länger als nötig im Krankenhaus zu behalten,  Zweck der DRG’s ist aber noch ein anderer.
Weil die DRG’s pauschal berechnet werden und sich nicht daran orientieren wie viel die Behandlung einer*s Patient*in real an Ressourcen kostet, werden die Betriebskosten der Krankenhäuser nicht mehr nachvollziehbar aufgeschlüsselt. Am Ende eines Quartals erscheinen die Gewinne der Geschäftsführung wie durch ein Wunder zusätzlich erwirtschaftet. Dabei ist es nur möglich diese Gewinne zu machen, wenn das Krankenhaus es schafft unterhalb der Pauschalen zu behandeln, sprich weniger Ressourcen aufwendet als eigentlich durch die Krankenkassen den Patienten zustehen, und das dann durch das komplexe DRG-System verschleiert.

Innerhalb dieses Systems ist es nun für den Unternehmer nur gewinnbringend mehr Diagnosestellungen durch Ärzte zu erreichen und zum anderen die Senkung der restlichen Kosten im Krankenhaus voranzutreiben.
Das lässt sich dann sehr konkret an dem vermehrten Druck auf die Pflege spüren, da sie im jetzigen System ausschließlich als „Kostenverursacher“ vorkommen und nur die Ärzt*innen die „Gewinnbringer“ sind durch ihre Diagnosen. In der Folge sind vermehrt Ärzt*innen eingestellt worden und beim Pflegepersonal wird umso dramatischer gespart.  

Beides sind Entwicklungen, die einer bedarfsorientierten Medizin im Wege stehen. Sie verursachen langfristig höhere Kosten für das gesamte System und sind moralisch höchst zweifelhaft, da rationierte Pflegeleistungen sich schlecht auf das Langzeit-Ergebnis der Patient*innen auswirken: mit unerwünschten Behandlungsergebnissen wie erhöhten Wiedereinweisungsraten, häufigerem Auftreten von nosokomialen Infektionen, Patientenstürzen etc. Zudem gibt es klare statistische Zusammenhänge zwischen weniger Personal auf Station und einer erhöhten Patientensterblichkeit. *2

Somit halte wir als angehende Ärzt*innen das System der Fallpauschalen für hoch problematisch und lehnen es ab Patient*innen nach wirtschaftlichen Kriterien zu behandeln, entlassen oder wahrzunehmen.

*1 (Deutscher Ethikrat: „Patientenwohl als ethischer Maßstab für das Krankenhaus“)

* 2 Picker Report 2015 –  Bundesverband Pflegemanagement (zu finden unter:http://www.bv-pflegemanagement.de/meldung/items/383.html